Die Regelungen für den Besuch von KiTas in Nordrhein-Westfalen gehen an der Lebenswirklichkeit von Familien und ihren Kindern vorbei. Gut gemeint, ist nicht gut gemacht. Mit diesen sechs Worten lässt sich der Umgang der NRW-Landesregierung mit den Kindertagesstätten beschreiben.
Es ist gut und richtig, dass Kinder mit Förderbedarf, mit Behinderung und Vorschulkinder wieder in die KiTa kommen dürfen und, dass es weiterhin eine Notbetreuung für Alleinerziehende und Eltern mit „systemrelevanten“ Berufen gibt. Und ja, es ist auch gut, dass NRW endlich eine wissenschaftliche Begleitung zu Infektionsketten bei Kindern in Auftrag gegeben hat. Wobei die Frage bleibt: Warum startet diese wissenschaftliche Begleitung erst jetzt?
Und die anderen Kinder, die nicht unter die Regelungen fallen, sollen bis zu den Sommerferien mindestens 2 Tage zur KiTa kommen, um Freunde zu treffen und das KiTa Jahr abzuschließen. Für viele Familien eine echte Katastrophe, wie mir immer mehr Zuschriften von besorgten Eltern, aber auch von Erzieher*innen zeigen.
Es bleiben viele Fragezeichen für die Familien offen. Für Familien, welche seit Wochen außergewöhnliches leisten und für Kinder, für die Bindungen zu Gleichaltrigen, zu Erzieher*innen ganz wichtig für die eigene Entwicklung sind und, die eine Routine im Alltag brauchen.
Die jetzt getroffenen Maßnahmen führen laut NRW-Familienminister Joachim Stamp dazu, dass bis zu den Sommerferien 40-50% der Kinder wieder die KiTas besuchen. Im Umkehrschluss bedeutet dies für viele Kinder, dass es – bis auf die 2 Tage – keinen KiTa-Besuch bis zu den Ferien geben wird und für die Eltern, dass diese weiterhin den Spagat zwischen Beruf und Betreuung ihrer Kinder organisieren müssen.
Mir geht es dabei nicht um Lockerungen um jeden Preis. Mir geht es dabei nicht darum, ab Morgen wieder die KiTa sofort und jeden Tag für alle Kinder zu öffnen und damit Rückschläge in der Eindämmung der Corona-Pandemie zu riskieren. Mir geht es um Wertschätzung für Familien und um das Wohl unserer Kinder – aller Kinder. Wir brauchen klare Perspektiven für die Kinder und Familien im Rhein-Sieg-Kreis unabhängig davon, ob die Eltern in den definierten „systemrelevanten Berufen“ arbeiten oder nicht. Und wir müssen für das Wohl der Fachkräfte in unseren KiTas sorgen.
Wir brauchen regionale Lösung und eine „neue Normalität“ für unsere KiTas im Rhein-Sieg-Kreis. Die Einrichtungsleitungen und die Erzieher*innen vor Ort wissen am besten was möglich und was verantwortbar ist und wo es ggf. besondere Bedarfe zum Schutz des Kindeswohls gibt. Genau diese Kompetenzen und dieses Wissen müssen sich Verwaltung und Politik zu eigen machen. In meinem Austausch mit den Fachkräften aus unterschiedlichen Einrichtungen erlebe ich ein hohes Verantwortungsbewusstsein, eine enorme Einsatzbereitschaft und viel Verständnis für die Situation in den Familien. Wir können stolz auf diese Teams in unseren Kindertagesstätten in den 19 Städten und Gemeinden im Rhein-Sieg-Kreis sein.
Klar ist: Wir müssen jetzt handeln. Aus Verantwortung gegenüber den Beschäftigten in den Einrichtungen, als Unterstützung und Entlastung für die Familien und zum Wohl ALLER Kinder.
Unter Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen und entsprechenden Hygieneauflagen sind aus meiner Sicht folgende Schritte für eine „neue Normalität“ in unseren KiTas notwendig:
- Einführung eines rollierenden Systems unter Berücksichtigung der personellen und räumlichen Situation vor Ort mit dem Ziel, dass jedes Kind mindestens 50 % der regulären Betreuungszeit in der KiTa verbringt. Dies kann über wechselnde Wochentage oder über einen wöchentlichen Wechsel erfolgen.
- In den Kommunen müssen neue Raumkonzepte entwickelt und zusätzliche „Übergangsräume“ geschaffen werden, um mehr Betreuung zu ermöglichen. Hierbei sollten derzeit nicht genutzte Nachbarschaftshäuser und Begegnungsstätten ebenso einbezogen werden, wie auch eine KiTa unter freiem Himmel, im Zelt oder bspw. das pädagogische Konzept der Waldkita.
- Vor allem ältere Fachkräfte oder Beschäftigte mit Vorerkrankungen müssen besonders geschützt werden. Wie dies möglich ist, sollte vor Ort in Abstimmungen zwischen Einrichtungsleitung, Beschäftigten und Träger entschieden werden. Sie wissen am besten was möglich ist.
- Das Land muss den Kommunen mehr Verantwortung für die vorsichtige Öffnung der KiTas geben, denn vor Ort können die individuellen Bedürfnisse viel besser berücksichtigt werden.
- Für eine mögliche zweite Infektionswelle im Herbst brauchen wir einen „Kita-Lockdown-Plan“ mit Lösungsmodellen wie berufstätige Eltern ohne Kinderbetreuung wirtschaftlich und emotional unterstützt werden können. HomeOffice ist eben kein Betreuungskonzept für Kinder.
- Die KiTa-Gebühren müssen bis zum vollständigen normalen Regelbetrieb in allen Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises ausgesetzt werden. Im Übrigen sollten diese generell vollständig abgeschafft werden, um Familien zu entlasten.
Der Rhein-Sieg-Kreis muss diese Punkte aus meiner Sicht eigenverantwortlich angehen. Das Kreisjugendamt muss gemeinsam mit den städtischen Jugendämtern sehr zeitnah einen eigenen Weg vorlegen, der die genannten Punkte berücksichtigt.
Jedes Kind ist systemrelevant. Jede Familie hat die gleiche Wertschätzung verdient. Jede*r Erzieher*in verdient unsere Unterstützung bei der Umsetzung